Sonntag, 28. August 2011

Chez Chez Chez

Berlin.
Da bin ich. Ich wollte unbedingt hierhin und deshalb bin ich hier. Weil ich mich über alle notorischen Langweiler hinweggesetzt habe, die meinten: "Jaaa voll geile Idee, ich würd sofort mitkommen", und dann natürlich - wie überraschend!- nicht mitkamen, weil, hoppla, Papa Geburtstag hatte oder kein Geld da war für den Zug (aber für nen spontanen Australientrip schon) und so weiter und so weiter, was man halt so Freunde nennt (hab sie lieb, ja). Und allein hergefahren bin.

Was ich an dieser Stadt liebe: dass sie ist wie ein Kind. Störrisch, aber liebenswert. Man muss sich richtig einfühlen, um den Genuss daran zu finden. Man ist verantwortlich, gleichzeitig aber total unterlegen. Die Stadt nimmt einen in Anspruch, verlangt viel Aufmerksamkeit. Man ist hier ein winziger Teil von etwas ganz ganz Grossem und kann sich trotz Tralala und Drogenexzessen an jeder Ecke auch mal auf sich konzentrieren, weil man zur Abwechslung mal niemanden kennt, wenn man auf die Strasse geht, höchstens das Gefühl des Katers, der einen irgendwie öfters mal begleitet.
Wogegen ich machtlos bin: dass ich eingeschüchtert bin. Einschüchterung ist so eine Schwäche von mir. Ich lasse mich von allem einschüchtern. Von eingebildeten Menschen, guter Musik, Gangstas, Flyerverteilern, Demonstranten, Zeugen Jehovas, Spinnen, ALDI-Läden. Ich bin grundsätzlich ein wahnsinnig offener Mensch, aber ich tue mich schwer damit, in Kontakt zu treten mit meiner aktiven Umwelt. Lieber flüchte ich mich in so genannte...nein, dazu vielleicht ein andermal mehr.

Warum muss das immer alles so eskapadisch sein?
Einfach normaler Alltag kann doch nicht so schwer sein. Ich meine, ich bemühe mich ja. Morgen geh ich zur Akademie der Künste für so nen All-Around-Infotag. Aber allein die Vorstellung führt zu schizophrenen Anwandlungen, bei denen ich mir ernsthaft überlege, wieso ich mir sowas antue, weil ich garantiert nicht nach Hause kommen und denken werde: "Ja, das ist es! Ich gehe an die Akademie der Künste!"
das wär ja noch lustiger. Wozu hab ich denn trotz konsequenter Lernverweigerung und exzessiven Partynächten vor diversen Prüfungen das Gymnasium bestanden? Jedenfalls sicher nicht, um diese offenkundige Intelligenz (man merke: Satire!) zu verschwenden und mich jetzt gleich nochmal hinter ne Schulbank zu zwängen, wo mich irgendwelche Spasten nerven.
Ich denke: ich würde gerne arbeiten. Geld verdienen. Nur: ich finde alle Jobs, die ich kenne, blöd. Ausser Diktator sein. Aber ich bin nicht so gut im Einschüchtern. Mich würden die ganzen Leute einschüchtern, obwohl ich ihnen nur das Beste wollen würde.
Das ist nämlich auch noch so ne Schwäche von mir: Nett sein. Nein, ich bin nicht absichtlich nett, sondern einfach so. Es macht mir Spass. Helfen macht Freude. Andere verkuppeln? Meine Spezialität. Genauso wie im Gegenzug ständig leer auszugehen oder sich von labilen Wracks das Herz brechen zu lassen, Folgeerscheinung. Ich bin gerade dabei, egoistisch sein zu lernen. Es klappt nicht so gut. Man könnte jetzt sagen: Scheidungskind. Bedürfnisse nicht ernst nehmen und all sowas, kennt man ja. Schon klar. Die lieben Eltern sind schuld. Aber wen interessiert das? Hilft mir ja auch nicht weiter. Dann lieber noch ein bisschen Chemie. Dann ist wenigstens mal klar, dass alles Schein und Licht und schön ist, wenn man in der Realität versucht, Mensch zu sein, kommt man sich ja doch nur läppisch vor.

Lächerlichkeit ist sowieso das meist beobachtete Begleitobjekt der heutigen Gesellschaft. Jeder macht sich ständig irgendwie lächerlich und das meist, während er versucht, dies krampfhaft zu vermeiden. Ich höre immer wieder: "Mach dir doch nicht so viele Gedanken!" Aber: mach ich ja gar nicht. Ich kann gar nicht viel denken, weil meist ein begonnener Gedanke in der Hälfte mit "Egaal!" oder so unterbrochen wird. Es ist vielmehr so, dass in mir drin alles schon so vorprogrammiert ist,dass Assoziationsketten entstehen. Gewissermassen archiviert und zu selbstzweiflerischen Zwecken jeweils zielsicher entpackt.
ZB wenn jemand in meiner Nähe loslacht, dann kommt bei mir automatisch der Gedanke: "Aha, ich werde ausgelacht." Das hat aber nichts mit zu viel Gedankenmachen zu tun. Würde ich über sowas lang genug nachdenken, würde ich vermutlich sogar drauf kommen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass die über mich lachen.
Vielleicht sollte ich mir also lieber mal MEHR Gedanken machen. Wirke ich so nachdenklich?
Ich geh jetzt erstmal schlafen. Beziehungsweise höre auf, rohes Toastbrot zu mampfen und versuche trotz laufendem Fernseher und drei lauthalts selbigen kommentierenden Männerstimmen ein bisschen zu dösen. Gähn.


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